Die Profi-Kicker um Lidberg, Hornby, Schuhen und Holland marschieren geradewegs vom Nachmittagstraining zum Duschen, da füllt sich die Fläche rund ums „Bölle“ mit fast 600 Freizeitläufer*innen in der Startvorbereitung zur Premiere des Lilien-Staffelmarathons. SV Darmstadt 98 und Laufen? Ja, beim Traditionsverein am Böllenfalltor entsann man sich vor wenigen Wochen an glorreiche Zeiten, als Leichtathletik mit Spitzenkräften wie Hermann Koop, Hans und Michael Reibold bis zu nationalen Meistertiteln warfen und vor allem insbesondere liefen.
Die 4x800-m-Staffel (die es bis in die 70er Jahre noch als Meisterschaftswettbewerb gab) mit Michael Reibold, Walter Rensch, Jürgen Lorösch und Hans Reibold duellierte sich mit den Großen aus Kornwestheim und Leverkusen im Kampf um den Titel. Doch das war gestern, die Aschenbahn als Trainings- und Wettkampfstätte ist längst verschwunden, die Leichtathletik-Abteilung aufgelöst, die besten Athlet*innen schlossen sich dem benachbarten asc im Hochschulstadion an, der Fußball hat mit einem schmucken Stadion das Areal übernommen. Inzwischen locken die „Lilien“-Kicker über 17.000 Zuschauende an, weil Fußball und Darmstadt passt.
Doch leichtathletische Gedanken gibt es nach wie vor am „Bölle“. Eine Staffel soll es sein, die an einem Mittwochabend vom Merck-Stadion aus zum Dachsberg, dem Darmstädter Hausberg und zurück führt – ein Greuel für viele Freizeitläufer*innen wegen der teilweise schon satten Steigungen und Gefällabschnitte. In Fußballerkreisen nahm man letztlich das Wort Staffel nicht so genau, es wurde ein Teamevent mit Zeitaddition für vier, sechs oder acht Läufer*innn, die wahlweise die halbe bzw. die ganze Marathonstrecke zu laufen hatten. Dass es letztlich trotz markiger Meldegebühren knapp 600 Freizeitläufer*innen aus Unternehmen, Vereinen oder anderen Gruppierungen waren, das unterstreicht das rege Interesse am Laufsport im Südhessischen.
Sodass Michael Weilguny, der „Lilien“-Geschäftsführer rundum zufrieden war, das sollte Lust auf mehr am Böllenfalltor machen. „Wir freuen uns sehr, dass knapp 600 Laufbegeisterte unserer Einladung gefolgt sind. Das Besondere an dieser Veranstaltung ist, dass man nicht alleine läuft, sondern als Gruppe, was im Sport natürlich immer für mehr Begeisterung sorgt.“ Und blickt mit Vorfreude auch schon auf 2026: „Wir hoffen, dass wir den Lilien-Staffelmarathon nächstes Jahr noch einmal weiter ausbauen können und sind optimistisch, hier bei uns im Merck-Stadion am Böllenfalltor eine vierstellige Zahl an Teilnehmenden begrüßen zu dürfen.“
Leichtathletik in Darmstadt ist seit der Konzentration Ende der Sechzigerjahre vor allem eine Sache des asc Darmstadt, großartige Laufveranstaltungen wie der Stadtlauf, der Darmstadt-Cross und der Frauenlauf zeugen von der läuferischen und vor allem auch organisatorischen Kompetenz des Vereins. Und eben die Stützen der Laufveranstaltungen traten in Anlehnung an das vor wenigen Jahren kreierte T-Shirt als „Bogg uff Renne“-Team an – und zeigten sich als Achter-Team in beeindruckender Weise im Marathon-Wettbewerb als überlegener Sieger. Sehr zur Freude ihres Trainers Wilfried Raatz, der neben der Organisation der Laufveranstaltungen auch die Mittel- und Langstreckler*innen des Vereins trainiert.
Mit der Gesamtzeit von 2:53:53 Stunden gab es am Sieg für aus jeweils vier Männern und vier Frauen bestehende „Bogg uff Renne – das Original“ keinen Zweifel, auf Rang zwei folgte Dynamo Tresen (3:17:11) vor Dosenbier Darmstadt (3:27:31), das schnellste „reine“ Männerteam stellte das Forstamt Darmstadt (3:45:30), die noch am Nachmittag qua Amt einen umgestürzten Baum von der Laufstrecke entfernen mussten. Dass die Gemeinschaft und der Spaß am Laufen vor allem im Vordergrund standen, das verdeutlichen Teamnamen wie „Limonen Lokomotive“, „Wer nicht rennt, ist Offenbacher!“, „Lilienschweinchen“, „EatPastaRunFasta“ oder „Mit Vollsaft voraus“, „BierBauch&Burnout“ oder das politische Statement von „Volt: Run for Open Borders“.
Blicken wir noch auf die Tagesschnellsten der tatsächlich 5,3 km langen, profilierten Schleife, die sehr zur Freude von Coach Wilfried vom „Bogg uff Renne“-Team kamen: Jan gewann nach 20:12 Minuten vor Simone (20:23), der schnellsten Frau im Feld. Marco (21:08) wurde Sechster, Constantin (21:14) Siebter und Gerhard (21:58) Neunter. Bei den Frauen gab es sogar einen vierfachen Erfolg der asc-Frauen, denn hinter Simone folgten Alexandra (22:25), Katja (22:36) und Nora (24:09). Den über 3,5 km führenden Lauf sicherte sich mit Martha übrigens die Tochter von Alexandra, die für die Strecke glatte 14:00 Minuten brauchte.