Die beiden DLV-Nachwuchs Zehnkampf-Bundestrainer Lothar Schmitt und Klaus Flakus schüttelten nur noch die Köpfe: Solch einen Fight mit einem solch hohen Leistungsniveau in der Breite wie in der Spitze hatten sie in dieser Alterklasse schon lange nicht mehr erlebt. Bernhausen wurde seinem Ruf als "Zehnkampfmekka" wieder einmal gerecht. Sogar der Wettergott hatte ein Einsehen. Während ringsumher Gewitter tobten, schien überm Stadion hold die Sonne und verbreitete - zusammen mit der hervorragenden Organisation der Zehnkampf erfahrenen Filderstädter - bei Athleten wie Betreuern gleichermaßen gute Laune.
Mit einem freundlichen und stilvollen Empfang am Freitagabend begrüßten die Filderstädter ihre Gäste. Bundestrainer Klaus Marek schilderte den Jugendlichen die traditionsreiche Veranstaltung in Bernhausen als Eingangstor zu den großen Meetings in Götzis und Ratingen. Jeder heutige deutsche Spitzenathlet habe seine Karriere hier begonnen. Davor sprach der Veranstalter, davor der Bürgermeister, davor der Wettkampfleiter... Und während die vielen warmen Worte sanft in die Athletenohren rieselten, beanspruchten die Mägen nach und nach ihr eigenes Recht auf eine warme Mahlzeit. Und als der Zeitpunkt dann gekommen und der freundliche Willkommenstrunk beendet war, fiel die Fehlentscheidung des Abends, über die wir (Dennis, Daniel Sturma, Jörg Hupperich, Daniels Trainer, und ich) noch lange lachen werden: Wir entschieden uns aus Praktikabilitätsgründen für die rasche Einnahme des Abendessens beim Stadionitaliener. Sehr gehobene Preise, schickes Ambiente, eine nette, aber völlig unfähige Bedienung, zwei Stunden Wartezeit, Essensqualität schlicht unterirdisch. Dennis' Kartoffeln von übervorgestern, dafür das Fleisch zäh und zu wenig. Ein oder zwei Salatblätter sollen genießbar gewesen sein. Meine Pizza hätte, leicht in den Wind gestellt, lockere 100 Meter Flugbahn hinter sich gebracht: eine scharfe, windschnittige Kante, durchgehend holzig, und ohne Gefahr unterwegs irgend etwas zu verlieren - denn entgegen der Bestellung war schlicht nichts drauf. Geschmack? Nun, wie UFOs halt so schmecken. Jörg kurz vor der Fischvergiftung, Daniel über seine matschigen Nudeln begeistert. Aber egal: nach solch lustigem Auftakt kann es nur besser werden. Essen wird ja sowieso überschätzt. Und so gelacht haben wir schon lange nicht mehr.
Also frohgemut zum Wettkampf. Ein anständiges Morgenbuffet entschädigte für den Abend. Und dann konnte es losgehen:
Von Beginn an bildete sich mit Lennard Biere (MTV Heide), Ben Thiele (SC Neubrandenburg) und Dennis ein Trio heraus, das sich bis zum Schluss nichts schenkte und einen mitreißenden Wettkampf ablieferte, der die Zuschauer zu spontanem Applaus animierte. Am Morgen vor dem Start erklärte Dennis seiner erkältungsbedingt laufenden Nase noch, dass die Beine nun Vorrang hätten. Murrend gab sie bei, meldete sich aber zwischendurch immer wieder mit störenden Attacken, von denen sich Dennis aber nicht beirren ließ (wenngleich die Erkältung natürlich etwas Kraft gekostet hat, die ihm im Wettkampf gut getan hätte). Doch 11,24 Sekunden bei Windstille, die viertschnellste Zeit im Feld, bestätigten seine Weinheimer Bestzeit (11,20 s bei 1,9 Rückenwind) und waren ein Auftakt nach Maß. Erster Versuch im Weitsprung: Nun gut, 6,43 m, nicht schlecht. Das geht aber besser: Zweiter Versuch 6,83 m, Verbesserung der PB um 40 Zentimeter, dabei noch ein ordentliches Stück vorm Brett. Letzter Versuch: Vollgas. Ein Meter übergetreten, die Weite (den Meter schon abgezogen) beziffert der Bundestrainer ein wenig überzeichnend mit gefühlten 8 Metern :-). Sonne macht halt optimistisch. Wie auch immer, da sind Reserven drin. Im Kugelstoß solide 15,05 Meter. Das geht in Ordnung. Dann die Sahnedisziplin Hochsprung. Heute erst mal Trockenkuchen. Verflixt, wo ist der Rhythmus? Dennis sucht, findet, verliert, sucht wieder, reißt bei 1,99 m , Trainer Stephen überlegt, was denn da los ist, die Latte wackelt bei 2,02 m, bleibt aber liegen. Dann folgt ein blitzsauberer Sprung über 2,05 m. Eine tolle Höhe. Dennis beweist Nerven! Die anschließenden 400 m in guten 52,09 Sekunden tun weh. Die Erkältung fordert ihren Tribut, schwere Beine und die Überlegung, was für Verrückte es eigentlich schön finden, an herrlichen Sommertagen Runden im Stadion zu hetzen. Nun erst mal unter die Dusche (Grohe Regenschauer, aahhh, das tut gut - nein nicht das Darmstädter Bier, sondern der Badezimmerausrüster mit dem Streichelstrahl), dann etwas futtern und ab ins Bett.
Der Sonntag: Die morgendlichen Gewitter haben sich verzogen, die Sonne kommt raus, Dennis auch, wenngleich er noch nicht mit dem Morgen um die Wette strahlt. Dann die Hürden: Das sieht gut. Startschuss. In Führung liegend kommt Dennis zu dicht an die vierte Hürde, touchiert sie, und rappelt dann in die fünfte hinein, als ob er einen harten Winter erwartet und Brennholz braucht. Er stolpert, taumelt, muss fast stehen bleiben, gibt aber gerade noch rechtzeitig Gas, zwei Dreisprünge, dann ist er wieder Rennen und beendet es noch in 14, 86 Sekunden. Neue PB und großer Ärger über wenigstens eine halbe Sekunde verlorene Zeit. Lennard Biere, bis zur achten Hürde nach Dennis' Strauchler in Führung liegend, will sich nichts Negatives als Profiteur von Dennis' Mißgeschick nachsagen lassen, haut solidarisch die beiden letzten Hürden um und stolpert gemeinsam mit Dennis ins Ziel. Uff, immerhin geschafft. Aber beide fluchen leise in sich rein. Und wir Trainer auch.
Der Diskuswurf beginnt im Einwerfen prächtig. Dennis legt gute 52 Meter hin, aber wie es so ist, wenn man dem Guten noch eine Schippe drauflegen will, ist es dann mitunter des Guten zuviel: Im Wettkampf wirft Dennis den ersten Versuch auf ordentliche 47,84 Meter und versäbelt dann etwas übermotiviert seine beiden nächsten. Kein Problem. Disziplinsieg wie im Hochsprung und weiter geht's zum Stabhochsprung. Jaja: rechtzeitige Stabbestellungen sind ein Problem. Die Lieferung wird in Aussicht gestellt, die Realität sieht anders aus. Die nötigen Stäbe sind nicht da, es stehen nur die zu weichen zur Verfügung. Mist. Die Frankfurter wollten aushelfen, brauchen die Stäbe aber gleichzeitig an der anderen Anlage. Extrem ärgerlich das Ganze. Nun, es hilft nix: Tiefer greifen, weniger Gas geben. Sich nicht über den sich falsch anfühlenden Rhythmus ärgern und rüber über die 4,20 m. Sicher deutlich zu wenig mit Blick auf die Höhe, die mit den richtigen Stäben zu erreichen gewesen wäre, aber damit kann man leben, wenn man muss. Auch hier beweist Dennis trotz einiger gerissener Versuche wirklich Nerven, Respekt!
Der Speerwurf dann bei heftigem, böigen Gegenwind, aus dem einzig der lange verletzte 8500-Punkte-Mann Arthur Abele (SSV ULM) mit über 66 Metern etwas machen kann. Alle anderen bleiben deutlich unter Wert. Auch Dennis kann seinem Punktekonto nur den überschaubaren Gegenwert für 46,37 Meter hinzu addieren. Die Aussicht auf den abschließenden 1500-Meterlauf entzückt außer Daniel Sturma, den laufbegeisterten Frankfurter (gleichfalls PB mit sehr guten 6959 Punkten und Rang vier), keinen der Jungs mehr. Dennoch geben sie alles und fahren am Ende beeindruckende Gesamtpunktzahlen ein.
Lothar Schmitt und Klaus Flakus sind sich jedenfalls einig, dass hier eine Truppe heranwächst, die im deutschen Zehnkampf in den nächsten Jahren noch von sich reden machen wird.
Nun hofft Dennis auf seine hoch verdiente WM-Nominierung für Donezk im Juli. Und er und sein Trainer Stephen Wirth freuen sich schon auf die Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften, die im August gleichfalls in Bernhausen ausgetragen werden. Das Hotel ist schon gebucht.